Haushaltsrede 2018

Rede zum Haushalt 2018 von Dr. Esther Kanschat

(Es gilt das gesprochene Wort)

Geehrter Herr Bürgermeister, liebe Ratskolleginnen und -kollegen, liebe Bürgerinnen und Bürger, werte Vertreter der Presse!

Ich habe Ihnen in meiner letzten Haushaltsrede eine Haushaltssperre prophezeit, die nicht eingetreten ist. Zum Glück nicht, denn das wünscht sich niemand für Velbert. Was aber nicht heißt, dass unsere Kritik am Haushalt 2017 nicht richtig gewesen wäre. Die Gewerbesteuer liegt knapp

2 Mio. unter und die Personalkosten sind erheblich über dem im Haushalt vorgesehenen Ansatz. Das positive Jahresergebnis verdanken wir einer tollen konjunkturellen Gesamtlage, Auszahlungen einer Rückstellung des LVR, einer Senkung von Kreisumlage sowie einer Steigerung bei den Gewässerunterhaltungsgebühren. So wurden über 5 Mio. € in den Haushalt gespült, die die Fehlkalkulation ausgeglichen haben. Fast alles Fremdeinwirkungen, meist aus dem Kreis oder dem Land, die die Städte nicht vor die Wand fahren lassen wollen, oder können.

Aber wenden wir uns dem Haushaltsplan 2018 zu. Einige Punkte hat die Kämmerei tatsächlich in die richtige Richtung verändert. Das Gewerbesteueraufkommen wurde von 49 Mio. € auf 47 Mio. € gesenkt und die Personalkosten wurden von 42,9 Mio. € auf 44,1 Mio. € angehoben. Diese Positionen werden endlich realistischer – wie seit Jahren von uns gefordert. Das sind zwei sehr offensichtliche Posten, aber ganz viele andere Zahlen werden, leider wie jedes Jahr zum Teil sogar noch unübersichtlicher als zuvor dargestellt. Man muss die alten Haushalte vor sich haben, plus die Gesamtabschlüsse und dann noch zwischen den Zahlen hin und herspringen und als sei das nicht schon genug erschwerend, muss man leider häufig feststellen, dass die Zahlen dieses Jahres an anderer Stelle aufgeführt werden als im letzten Jahr. Wir fordern jedes Jahr eine transparentere Darstellung, aber leider sind wir keine der Mehrheitsfraktionen und damit hat man das Gefühl nur lästig zu sein, aber nicht unterstützenswert. Mehr Transparenz ist von der Verwaltung nicht gewünscht. Sonst würde unser einstimmig im Rat beschlossener Open Data Antrag, wodurch Daten allgemein zugänglich und vergleichbar würden, wie beschlossen Ende diesen Jahres vorgestellt  – und nicht erst eventuell Ende 2018, aber laut Bürgermeister wahrscheinlich noch später, Ende offen, oder besser gar nicht ?

Aber klar ist, dass die Haushaltssituation sich insgesamt in den letzten Jahren kaum verbessert hat. Das macht die Aussage der Gemeindeprüfanstalt deutlich, die seit Jahren ein strukturelles Defizit von 10–15 Mio. € in Velbert anprangert.

Unsere Hauptkritikpunkte an dem Haushalt stützen sich diesmal also nicht wie in den letzten Jahren auf die Fehlkalkulationen, denn diese können sowieso nicht von uns richtig eingesehen werden. Dazu ein Beispiel: Wir haben seit Jahren den Rahmen der möglichen Liquiditätskredite von 130 Mio. € kritisiert, ebenso wie die Höhe der tatsächlich in Anspruch genommenen Liquiditätskredite von ca. 110 Mio. €. Dieser Wert liegt weit über den Liquiditätskrediten der meisten anderen kreisangehörigen Städte.

Jetzt wird dieser Liquiditätsrahmen in diesem Haushalt auf 150 Mio. € angehoben. Man versucht uns zu beruhigen, in dem man uns erklärt, dass die Stadt gar nicht mehr Liquiditätskredite benötigt, sondern dass diese zusätzlichen 20 Mio. € die ganze Zeit schon über die städtischen Tochtergesellschaften abgewickelt wurden, die jetzt aber wieder ihrerseits eigene Liquiditätskredite aufnehmen müssen und die Stadt Velbert also nicht weiter versorgen können.

Ich frage Sie im Ernst: Was sollte uns Politiker oder die Bürgerinnen und Bürger daran beruhigen:

  • Die Tatsache, dass die Stadt die ganzen letzten Jahre schon viel mehr Liquiditätskredite hatte, als wir dem Haushalt entnehmen konnten?
  • Dass jetzt zusätzlich die Tochtergesellschaften mehr Liquiditätskredite benötigen und diese auch aufnehmen werden?
  • Oder die Tatsache, dass Sie immer noch nicht begriffen haben, dass alle Gelder, die im Gesamthaushalt Velberts aufgenommen werden, auch die gesamte Bevölkerung der Stadt Velbert belasten?

Wir werden also diesmal unsere Kritik nicht an den Zahlen festmachen, sondern an den generellen planerischen Fehlern, die die Weichen für Velberts Entwicklung vorgeben und sich dann in den Zahlen wiederspiegeln.

Ich möchte Ihnen diese Fehlentwicklungen anhand von folgenden Beispielen klar machen: Wir fangen an mit den Wohnungsbaugebieten, über die Kita Plätze zu den Grundschulen und den weiterführenden Schulen.

Sie alle erfreuen sich, genau wie wir, an der Entwicklung der Bevölkerungszahlen, die in den letzten Jahren stetig steigen. Diese neuen Bürgerinnen und Bürger werden mit immer neuen Wohnbaugebieten gelockt und wir werben mit all unseren mehr oder weniger angelaufenen Infrastrukturprojekten, wie z. B. dem ZOB, dem Bürgerforum, der neuen Einkaufspassage, dem Stadion, einem Grundschulneubau, usw. Sie wollen den Menschen suggerieren, sie würden in eine aufblühende Stadt ziehen. All diese Projekte sind auch wirklich toll und wurden, mit Ausnahme des Stadions, mit unseren Stimmen verabschiedet. Allerdings sind das nicht alle wichtigen Kriterien für Neubürger. Viele andere harte Standortfaktoren vernachlässigen Sie und steuern Velbert und eben gerade alle jungen Familien Velbert in ungewollte und wenig lebenswerte Lebensumfelder.

Wir weisen sehr viele Wohnungsbaugebiete aus, bauen bzw. genehmigen Baupläne für Unmengen an Reiheneinfamilienhäusern und vernachlässigen sowohl den Mietwohnungsmarkt allgemein und insbesondere den Sozialen Wohnungsbau. Dabei spielt es für Sie keine Rolle, ob die Neubaugebiete / Gewerbegebiete landwirtschaftlich wertvolle Flächen zerstören, wie an der Langenberger Str., dem Fellershof, der Wilhelmshöhe, und viele mehr, ob es obendrein noch Quelleneinzugsgebiete wie am Schlagbaum sind oder ob Sie an Hauptverkehrsstraßen bauen und die Immissionsschutzempfehlungen des Kreisgesundheitsamtes übergehen. Hauptsache, Sie bauen und verkaufen neue Wohngebiete. Dabei übersehen Sie, dass ein wirklich wichtiges Argument für den Zuzug nach Velbert die Lage im Grünen ist, die Sie damit sukzessiv zerstören, und die Sie zu recht in der Nachbarkommune Wuppertal mit der Bebauung der kleinen Höhe kritisieren. Sie rechtfertigen dies mit einer Wohnungsmarktanalyse aus 2009, die selber eine vollständige Überarbeitung für spätestens 2014 forderte, die Sie aber immer wieder nach hinten verschieben.

Wie wir bereits seit längerem wissen, hat die Geburtenrate in Velbert wieder zugenommen und die Zuwanderung ist größer als die Abwanderung aus Velbert. Das heißt auch, wir haben ein größeres Kinderaufkommen und es werden hierfür mehr Kita Plätze benötigt. Glaubt man der dieses Jahr im Jugendhilfeausschuss vorgestellten Bedarfsplanung für Tagesbetreuung, muss man diese Tatsachen ernst nehmen. Ich zitiere den Bericht zum Ist-Zustand: „Anzumerken ist, dass trotz dieser Maßnahmen immer noch keine bedarfsgerechte Versorgung erreicht ist. … trotzdem konnten nicht allen Eltern, die einen Bedarf angemeldet haben, eine Betreuung angeboten werden.“ Das heißt, die Plätze reichen nicht aus. Ebenso findet man: „Neben baulichen Herausforderungen mussten die Kitas ihre pädagogischen Konzepte überarbeiten, damit diese zusätzlichen Gruppen in die bestehende Betreuung integriert werden konnten“  Sprich: Quantität vor Qualität. Und als letztes als Ausblick für die Zukunft: „In der Prognose werden für die Jahre 2018 bis 2020 die jetzt in Velbert lebenden Kinder über 3 Jahre fortgeschrieben, weitere Zuzüge nach Velbert sind noch nicht eingerechnet.“

Zusammengefasst bedeutet es: die Quantität reicht nicht aus, obwohl wir ihr die Qualität schon untergeordnet hatten und der Bevölkerungszuwachs ist nicht mit eingeplant. Wir haben Versorgungsquoten unter 90%, eine sogar bei 54% und in die Planungen mit eingerechnet ist ebenfalls die zukünftige KiTa am Brangenberg, die aber noch überprüft wird, da sie auf einem durch Jahrzehnte der Nutzung durch die Schwerindustrie belasteten Boden entstehen würde. Diese Zahlen und die daraus folgenden Familienumstände und die Kinderschicksale sind schon länger bekannt, aber Sie scheuen die Investitionen!

Und diese Kinder kommen alle in die Grundschulen. Aber auch hier haben wir zu wenig Plätze. Jeder weiß, dass die Klassengröße einen enormen Einfluss hat auf die Qualität des Unterrichts hat. Wir wissen auch alle, dass je inhomogener eine Lerngruppe ist, desto kleiner sie sein muss, damit der Einzelne richtig gefördert werden kann. Den Bevölkerungszahlen von Velbert können wir entnehmen, dass in den letzten vier Jahren die Einwohnerzahl Velberts im Saldo um 1.600 gestiegen ist. Allerdings ist die Zahl der Einwohner mit Migrationshintergrund um 3.200 gestiegen, während die Zahl der Einwohner mit deutscher Staatsangehörigkeit um 1.600 gesunken ist. Der Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund in Velbert stieg in diesem Zeitraum um 3,6 % an. Hierbei handelt es sich meist um Familien mit Kindern. Die Inhomogenität in unseren Klassen steigt also seit Jahren offensichtlich an.  Aber sie weigern sich, die nötigen Schritte für eine gute Beschulung zu ermöglichen. In diesem Jahr haben wir in Velbert-Mitte kaum eine Grundschule mit 25 oder weniger Kindern pro Eingangsklasse. Die meisten haben 26-29er Klassen gebildet. Und die Kinderzahlen sind stetig gestiegen. Sie werden gleich gegen den Grundschulneubau an der Grünstrasse stimmen, und haben damit zu verantworten, dass für all unsere Kinder in Velbert-Mitte die Grundschulbildung erheblich erschwert wird.

Wenn Sie das nicht glauben, trauen Sie sich doch einmal in den Grundschulen nachzufragen, dann werden Sie mitbekommen, wie sich diese von der Velberter Politik im Stich gelassen fühlen!

Die weiterführenden Schulen und die Gründung einer zweiten Gesamtschule in Velbert haben wir schon seit Jahren als Thema, und dies scheint jetzt auf einem guten Weg zu sein. Aber auch da gilt: Es werden mehr Schülerinnen und Schüler und inhomogenere Klassenzusammenstellungen. Für diese Konstellation benötigt man genügend Gesamtschulplätze, wo alle Kinder nach ihren Fähigkeiten individuell gefördert werden können. Und mit zwei städtischen Gesamtschulen an zwei Standorten sind wir flexibel genug, um auf diese Zuwächse reagieren zu können.

Aber bevor ich ende, möchte ich eines noch klar stellen: Wir freuen uns sehr darüber, dass Velbert seit Jahren steigende Bevölkerungszahlen aufweist und wir sehen das genau wie Sie als etwas sehr Positives: Eine Chance für Velbert wieder zu wachsen. Allerdings wissen wir im Gegensatz anscheinend zu Ihnen, dass da keine Goldesel kommen, die wir zuerst mit Grundstücksverkäufen und dann mit Einkommenssteuer melken können und das war´s. Das sind Menschen, oft junge Familien, die hier ein liebenswertes und lebenswertes zu Hause aufbauen wollen, eine neue Heimat suchen. Die ihre Kinder gut betreut und bestmöglich gebildet wissen wollen. So ist uns, im Gegensatz zu den Mehrheitsfraktionen aus CDU und SPD und ebenso Velbert-anders bewusst, dass wir für diese Menschen eine Infrastruktur schaffen müssen, die eben Geld kostet.

Da wir davon ausgehen, dass die Intransparenz des Haushaltes von der Verwaltungsspitze so gewollt ist und deshalb auch von dieser die Schaffung von mehr Transparenz nicht unterstützt wird, bedanken wir uns bei der Kämmerei für die geleistete Arbeit.

Wir lehnen diesen Haushalt ab.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

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