Haustiere sind sicher: Der Faktencheck zur Antibiotika-Desinformationskampagne

Sven Giegold, Mitglied der Grünen Fraktion im Europaparlament

Seit Wochen läuft eine Desinformationskampagne gegen einen Antrag von uns Grünen für besseren Schutz vor Antibiotikaresistenzen. Viele von Ihnen und Euch werden die Kampagne gesehen haben – mit traurigen Hundeaugen, dramatischen Ankündigungen und Falschinformationen wird Stimmung gemacht. Doch diese Petition ist ein Fake. Dahinter steht der “Bundesverband praktizierender Tierärzte”. Der mächtige Lobbyverband missbraucht die Tierliebe tausender Menschen, damit einige seiner Mitglieder weiter richtig viel Geld mit den Antibiotika in der Massentierhaltung verdienen können. Am Mittwoch, 15. September, stimmt das Europaparlament über unseren Antrag ab. Deshalb ist hier ein Faktencheck. 

Fakten zur Petition:

Die Petition soll dem Tierwohl dienen. Doch sie tut genau das Gegenteil. Sie ist gespickt mit gezielten Falschinformationen, gestreut vom mächtigen Lobbyverband “Bundesverband praktizierender Tierärzte”, um weiter Millionen mit Antibiotika in der Tiermast verdienen zu können. 

Richtig ist: Der vorliegende Vorschlag der EU-Kommission würde bedeuten, dass auch Haustiere keine Reserveantibiotika mehr bekommen. Genau das wollen wir verhindern. 

Deswegen hat der Umweltausschuss des Europaparlaments Veto gegen den Kommissionsvorschlag eingelegt, damit Haustiere weiter Antibiotika bekommen.

Nur wenn das Veto eine Mehrheit bekommt, sind Hund, Katze und Co. sicher. Doch die Petition und der Bundesverband praktizierender Tierärzte machen Sturm gegen genau dieses Veto, das Haustiere schützt. Wenn sie Erfolg haben und das Veto nicht durchkommt, dann wären Haustiere wirklich in Gefahr.

Statt Haustiere zu schützen, gefährdet der Lobbyverband sie also. Verkauft in der Petition aber genau das Gegenteil. Warum? Weil es um viel Geld geht.

66% aller Antibiotika werden in der Landwirtschaft verwendet. Nahezu jedes Huhn, jede Pute und jedes Schwein in der industriellen Massentierhaltung bekommt Antibiotika. Es werden allein 80 Tonnen pro Jahr des Reserveantibiotikums Colistin in der Massentierhaltung verwendet – vorzugsweise in der gefährlichen Gruppenbehandlung. 

Antibiotikaresistenzen sind eine globale schleichende Pandemie. Wenn wir nicht einige wichtige Antibiotika für die dringendsten Anwendungen bei Menschen zurückhalten, werden bis 2050 in der EU 400.000 Menschen pro Jahr an Infektionen sterben, für die wir keine wirksamen Antibiotika mehr haben. Schon heute sind jedes Jahr mehrere tausend Tote in Deutschland zu beklagen. Die Bundesärztekammer unterstützt unseren Einspruch ausdrücklich, denn eine klare Regelung der Reserveantibiotika rettet Leben!

Mit dieser Fake-News-Petition missbraucht die Lobbygruppe die Tierliebe, um lasche Regeln für die industrielle Massentierhaltung durchzusetzen. Denn wenn das Europaparlament unserem Vorschlag nicht zustimmt, können weiter Tonnen von lebensrettenden Antibiotika in der Massentierhaltung eingesetzt werden. 

Davon profitieren die Pharmaunternehmen und die verordnenden Tierärzte ganz direkt. Denn es geht auch anders. Dänemark und die Niederlande verwenden keine Reserveantibiotika in der Tierhaltung. Bei dieser Petition geht es also nicht um das Tierwohl, hier geht es rein um Profite.

Die Wahrheit ist (anders als in der Petition behauptet): 

  • Haustiere sind und bleiben sicher!

Der Vorschlag des Umweltauschusses  spricht sich explizit dafür aus, dass die Einzeltierbehandlung möglich bleiben soll. Hund, Katze und anderen Tieren soll keinesfalls die Behandlung mit Antibiotika versagt bleiben. Im Gegenteil: der Vorschlag der EU-Kommission – gegen den der Umweltausschuss Veto einlegt –  hätte zur Folge, dass alle Reserveantibiotika radikal für alle Tiere verboten wären. Unabhängig davon ob Haustier oder Nutztier, ob Einzeltierbehandlung oder Gruppenbehandlung. Die EU-Kommission hat bestätigt (Seite 2): In ihrem Vorschlag sollen für Tiere nutzbare Antibiotika sollen auf das absolut Nötigste reduziert werden. Deshalb wollen wir Ausnahmen für Haustiere erreichen! 

  • Alle Antibiotika können weiterhin für Haustiere verwendet werden.

Sollte das Veto des Parlaments angenommen werden, geht erstmal alles so weiter wie bisher. Alle Antibiotika können auch für Haustiere verwendet werden. Es muss dann ein neuer Vorschlag für Reserveantibiotika vorgelegt werden. Dieser Vorschlag muss der gleichen Prüfung unterzogen werden wie die aktuelle Fassung, auch durch das Parlament und den Rat sowie alle einschlägigen EU- und internationalen Institutionen. Das Parlament fordert sogar die Aufnahme bestimmter Ausnahmen in den neuen Vorschlag und weist damit deutlich darauf hin, dass ein vollständiges Verbot nicht gewollt ist.

  • Wir wollen die Gruppenbehandlung von Nutztieren mit Reserveantibiotika stoppen. 

Diese Gruppenbehandlung bei Geflügel und Schweinemast soll nicht mehr möglich sein. In der industriellen Landwirtschaft werden aktuell auch nicht-infizierte Tiere mit Antibiotika behandelt und tragen so entscheidend zur Resistenzentwicklung bei. Diese Verschwendung lebensrettender Reserveantibiotika können sich weder Mensch noch Tier leisten. Darum geht es in dem neuen Gesetz. 

  • Unser Einspruch beruht auf wissenschaftlichen Fakten

Wir wollen sicherstellen, dass wir streng entlang der Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation handeln. Dies bedeutet klare Regeln, welche Antibiotika für Menschen und Haustiere zurückgehalten werden sollen. Der aktuelle Vorschlag ist zu lax und folgt nicht den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation. 

  • Die Änderung der Tierarzneimittel-Verordnung ist natürlich machbar

Eine kleine Anpassung der Verordnung um Einzeltierbehandlung möglich zu machen, ist jederzeit möglich. 

  • Das Parlament will Fehler der Vergangenheit korrigieren und Ausnahmeregelung für die individuelle Behandlung von Tieren erlauben

Mit dem gegenwärtigen Vorschlag der Kommission wäre eine individuelle Behandlung von Haustieren mit Antibiotika, die dem Menschen vorbehalten sind, nicht erlaubt. Das Europäische Parlament fordert in der Tat eine -neue- Ausnahmeregelung für die Behandlung von Einzeltieren, einschließlich Haustieren. Im Einspruch wird klar ausgeführt, dass eine individuelle Tierbehandlung – auch mit Reserveantibiotika – weiterhin möglich sein soll.

Wir streiten für das Wohl aller Tiere. Haustiere sollen Reserveantibiotika bekommen. Und Nutztiere müssen in besseren Bedingungen gehalten werden, damit der massenhafte Einsatz von Antibiotika nicht mehr nötig ist. Dagegen fährt die Industrie eine Desinformationskampagne. Doch nur mit dem Ende der Nutzung von Antibiotika können wir uns vor den lebensbedrohlichen Gefahren der Antibiotikaresistenzen schützen. Deshalb sind Reserveantibiotika so wichtig. Und deshalb werden wir am Mittwoch für das Veto stimmen. 

Quelle: Sven Giegold, MdEP, www.sven-giegold.de

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