Bei „maischberger“ wird über Klimawandel geredet und ein Tropensturm schafft es bis Irland

von Dr. Andreas Müller

Irland erlebte gerade den stärksten Sturm seit 50 Jahren. Als Hurrikan „Ophelia“ in den Tropen gestartet, ist er – was manchmal passiert – nicht nach Westen (also Richtung Karibik und USA), sondern nach Osten (und Norden) gewandert. Üblicherweise schwächen sich solche Winde aufgrund der nach Norden sinkenden Meerestemperaturen noch über dem Meer so weit ab, dass wir in Europa nichts mehr davon merken. In diesem Fall aber hat das deutlich wärmere Meereswasser dafür gesorgt, dass Ophelia als Sturm bis zu den britischen Inseln gelangt ist. Damit ist ein Ereignis eingetreten, das wie ein weiteres Puzzle- Teil in das Bild der vom Menschen gemachten Überhitzung der Erde passt.

Weil es Quote bringt: Leugner des Klimawandels finden bei Sandra Maischberger eine Bühne (Foto: 2247188 – pixabay.com)

Nur wenige Tage vorher (11.10.2017) konnte bei „maischberger“ der Schweizer Journalist Alex Reichmuth – einer der unbelehrbaren (oder vielleicht nur mediengeilen?) Klimawandel-Leugner – eine notwendige Diskussion über praktische Maßnahmen gegen den Klimawandel torpedieren.

Mit diesem – zugegeben etwas längeren – Beitrag soll einmal zusammengefasst werden,

  • wo wir heute in der Klimawandelfrage stehen,
  • warum in Teilen der Öffentlichkeit immer noch der Eindruck besteht, es wäre offen, ob wir Menschen für die Aufheizung der Erde verantwortlich sind, obwohl man dies – nach wissenschaftlichen Kriterien – als gesichert ansehen kann und
  • mit welchen Methoden die „Klimawandel-Leugner“ arbeiten und was dahinter steckt.

Was ist allein in diesem Jahr auf nur einem Kontinent passiert?

Schauen wir nur in die USA, die ja derzeit das Pech haben, von einem weiteren Klimawandel-Leugner regiert zu werden. Bill McKibben, der Gründer der Klimaschutz-Organisation 350.org und Träger des alternativen Nobelpreises (korrekt heißt es „Right Livelihood Award“) hat die aktuelle Situation dort in der aktuellen Ausgabe der Blätter für deutsche und internationale Politik beschrieben:

  • Der Hurrikan „Harvey“ brachte Texas den stärksten jemals dort gemessenen Regen. Von seiner Stärke her war Harvey ein Sturm, der statistisch gesehen nur einmal in 25.000 Jahren auftritt.
  • In San Francisco wurde der bisherige Hitzerekord dieser Stadt um 1,5°übertroffen (es wurden 41,1°C gemessen). Nicht nur der absolute Wert war ein Rekord, auch die Stärke des Anstiegs war extrem. Auch an der restlichen Westküste war es besonders heiß, außer dort, wo Rauchwolken von Waldbränden die Sonne verfinsterten.
  • In den Staaten Nord-Dakota und Montana herrschte derweil eine Dürre, die stellenweise die Weizenkörner an den Halmen vertrocknen ließ.
  • Vor der Ostküste richtete währenddessen der Wirbelsturm „Irma“ in der Karibik Schäden an. nachdem er als Sturm der Stufe 5 (zum ersten Mal in Hundert Jahren) Kuba traf, sorgte er auf den Florida Keys für den niedrigsten jemals gemessenen Luftdruck.
  • Dann folgten „Jose“, „Katia“, „Lee“, „Maria“ und „Nate“ und schließlich „Ophelia“, die sich auf nach Irland machte.

Betrachtet man alle diese Ereignisse zusammen und denkt vielleicht auch noch daran, dass sich in Südasien ähnliches abspielt, erscheint es unmöglich, an einer aufheizenden Welt zu zweifeln. Zumal die Ursachenkette doch recht einfach ist:

  • Wir Menschen haben seit dem 19. Jahrhundert in großen Mengen Öl, Gas und Kohle aus der Tiefe geholt und genutzt (insbesondere: verbrannt).
  • Deshalb wurden große Mengen Kohlendioxid und Methan in die Luft geblasen.
  • Weil diese Stoffe reflektierte Sonnenstrahlen als Wärme in der Atmosphäre binden, die sonst in den Weltraum abgestrahlt würde, hat sich die Erde erwärmt.
  • Deshalb kann es zu stärkeren Niederschlägen und Winden sowie trockenen Wäldern und Feldern kommen.

Jeder, der in der Schule ein wenig Physik oder Chemie hatte, kann das nachvollziehen. Die wissenschaftlichen Grundlagen, wie Treibhausgase den Planeten erwärmen, waren bereits vor mehr als 100 Jahren bekannt und nicht umstritten.

Auch America wird von immer mehr und stärkeren Hurrikans getroffen! (Foto: comfreal – pixabay.com)

Darüber, dass für die heutige Erwärmung der Mensch verantwortlich ist, sind sich ebenfalls praktisch alle Wissenschaftler einig. Verschiedene Untersuchungen haben dies bestätigt. So berichtet James Powell, ein ehemaliges Mitglied des US-amerikanischen Nationalen Wissenschaftsrates, ernannt von den Präsidenten Reagan und Bush senior (beide nicht gerade „grün“-verdächtig), dass im Zeitraum von 1991 bis 2012 nur 34 von 33.690 Autoren gegengeprüfter (Fachausdruck: „peer reviewed“ – also von Kollegen überprüft) wissenschaftlicher Fachaufsätze bestreiten, dass der Klimawandel vom Menschen verursacht ist. Das sind 0,1 % oder ein Promill.

Je aktueller der Untersuchungszeitraum gewählt wird, desto größer ist die Einigkeit. Für Fachaufsätze aus den Jahren 2013 und 2014 berichtet der gleiche Autor, dass nur 4 von 69.406 Autoren den menschlichen Einfluss auf den Klimawandel bestreiten – das sind nur 0,006 %! Man muss diese „Skeptiker“ in der Fachwelt der Klimawissenschaften also wie eine Stecknadel im Heuhaufen suchen. Aber wichtig ist: auch sie können ihre Ergebnisse in Fachzeitschriften veröffentlichen, wenn sie wissenschaftlichen Qualitätskriterien entsprechen. Davon lebt Wissenschaft!

Zurück zu Maischberger – die öffentliche Diskussion

Haben Sie schon mal in einer deutschen Talkshow den Vertreter einer Partei gesehen, die bei der letzten Wahl 0,006 Prozent der Stimmen bekommen hat? Wann war überhaupt mal ein Politiker in einer Talkshow, dessen Partei nicht im Bundestag oder in einem der Landtage vertreten ist (also bei einer Wahl mindestens 5 % bekommen hat)? Wieso sitzen dann immer wieder Personen wie Reichmuth in Talk-Shows, die eine Position vertreten, die nur von 0,006 Prozent der Fachleute geteilt wird? Oder anders gesagt, wie hat Sandra Maischberger einen der 4 „Klimaskeptiker“ zwischen den 69.400 Wissenschaftlern gefunden?

Die Antwort ist einfach: gar nicht! Denn Axel Reichmuth ist genau wie die meisten anderen Personen, die öffentlich als „Klimawandel-Leugner“ in Erscheinung treten, überhaupt nicht auf diesem Fachgebiet tätig. Er hat zwar Mathe und Physik studiert, war dann aber erst als Lehrer an verschiedenen Gymnasien, bevor er auf Journalist umsattelte. Jedenfalls hat er sich in seinem Berfusleben nie als Forscher auf dem Gebiet der Klimawissenschaftem betätigt!

Die US-amerikanische Harvard-Professorin Naomi Oreskes hat in ihrem Buch „Die Machiavellis der Wissenschaft. Das Netzwerk des Leugnens.“ schon 2010 gezeigt, wie scheinbare Experten in der Öffentlichkeit gezielt Zweifel am Klimawandel säen. Dabei werden die gleichen Methoden angewendet, die schon zur Verschleierung der Gefahren des Tabakrauchens, des Ozonlochs oder des sauren Regens eingesetzt wurden. Zum Teil waren es sogar die gleichen Personen, die erst als „Experte für Gesundheit und Rauchen“, dann als „Ozonloch- “ oder als „Saure Regen-Experten“ und heute als „Klima-Experten“ auftraten!

Wie wird der Zweifel am menschgemachten Klimawandel gesät?

Seriöse Wissenschaftlerinnen (wir benutzen hier einfach mal nur weibliche Formen) haben ein Problem – sie sind seriös. Sie halten sich an die Regeln der Wissenschaft. Und damit sind sie in Diskussionen mit den oben beschriebenen „Pseudo-Expertinnen“ im Nachteil. Denn diese haben nur ein Ziel: Zweifel zu säen. Deshalb gehen sie so vor.

Zuerst bestreiten sie, dass es überhaupt einen Klimawandel gibt. Wenn ihnen dann die entsprechenden Daten vorgehalten werden, wechseln sie die Taktik. Sie behaupten nun, den Klimawandel habe es schon immer gegeben. Das kann natürlich keine seriöse Wissenschaftlerin bestreiten. Allerdings wird sie zeigen, dass alle Daten beweisen, dass die Erwärmung der letzten Jahrzehnte viel größer ist bzw. schneller vonstatten geht, als die Veränderungen der letzten – sagen wir – 1.000 Jahre. Nun hat die Klimaskeptikerin verschiedene Möglichkeiten.

  • Sie akzeptiert diese Aussage und behauptet dann, dass der Mensch und die von ihm erzeugten Treibhausgase nicht dafür verantwortlich sind.
  • Sie widerspricht der Aussage und redet
    • über Messmethoden, Modelltechniken und weitere Details, die keine „normale“ Zuhörerin versteht, was aber unglaublich kompetent wirkt oder
    • sie pickt sich sich aus den Daten, die die seriöse Wissenschaftlerin präsentiert und die sich über hunderttausende Jahre erstrecken, nur einen kleinen Teil heraus, in dem z.B. die Temperatur nicht gestiegen ist

Nachdem die seriöse Wissenschaftlerin auch diese üblen Machenschaften aufgedeckt und widerlegt hat, greift die Klimaskeptikerin zum nächsten Trick (mit zwei Varianten):

Sie behauptet, dass es zwar einen Klimawandel gibt, der auch vom Menschen verursacht ist, der aber entweder

  • gar nicht so schlimm ist, weil Kohlendioxid gut fürs Pflanzenwachstum ist und wärmere Temperaturen auch ganz nett sind oder
  • mit den von den Klimaschützerinnen vorgeschlagenen Maßnahmen nicht zu verhindern sei, stattdessen würden tausende (oder auch: Millionen) von Arbeitsplätzen vernichtet, alleinerziehende Hartz-IV-Empfängerinnen ihre Wohnung nicht mehr heizen können und überhaupt alle Menschen in ihren Handlungen unnötig eingeschränkt und der Industriestandort Deutschland in Gefahr gerate.

Spätestens wenn die seriöse Wissenschaftlerin dann zu erklären versucht, dass

  • es viele Untersuchungen gibt, die beweisen, dass die Nachteile des Klimawandels alle eventuellen Vorteile deutlich überwiegen und
  • die Maßnahmen nicht nur zur Bekämpfung der weltweiten Aufheizung dringend notwendig, sondern auch in vielerlei anderer Hinsicht gut für uns Menschen sind (weniger Autofahren = mehr Bewegung = gut für die Gesundheit – weniger Autounfälle, weniger Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen, schönere Städte, weniger Fleisch essen = gut für die Gesundheit – weniger Herz-Kreislauf-Erkrankungen, weniger Futtermittelimporte und damit weniger Regenwaldabholzung, neue Chancen für die Wirtschaft – Solar- und Windenergie, moderne Autos usw.), ist meist die Sendezeit vorbei.

Die Zuschauerin am Fernseher wird mit dem Eindruck zurückgelassen, dass das mit dem Klimawandel ja offenbar noch nicht richtig klar ist und wählt demnächst eine der Parteien, die höchstens halbherzig gegen die Überhitzung unseres Planeten vorgehen wollen. Die Klimwandel-Leugnerin hat – mal wieder – ihr Ziel erreicht!

Klimawandel? Ach was, alles nur Zufall, sagt zumindest die US Kohle- und Erdöl-Lobby! Naja, die müssen es ja wissen… (Foto: Hermann – pixabay.com)

Was wollen die Klimawandel-Leugnerinnen erreichen?

Naomi Oreskes (siehe oben) hat gezeigt, dass viele dieser Leute in den USA von der Kohle- und Erdöl-Lobby finanziert wurden.

  • Solange Zweifel bestehen, ist der Druck auf die Politik gering, wirksame Maßnahmen zu ergreifen.
  • Solange keine wirksamen Maßnahmen ergriffen werden, können Exxon, Rheinbraun und andere weiter ihr Geschäft auf Kosten des Planeten und der Zukunft unserer Kinder machen.

Es ist erwiesen, dass Exxon und andere Ölkonzerne schon seit Jahrzehnten wissen, dass ihre Produkte für den aktuellen Klimawandel verantwortlich sind. Genau wie die Tabakkonzerne schon Jahrzehnte vor den ersten öffentlichen Kampagnen wussten, dass Rauchen gesundheitsschädlich ist. Wenn man aber ein Produkt verkauft, mit dem man jeden Tag Millionen verdient, ist Zeit im wahrsten Sinne des Wortes Geld!

Natürlich können es auch ganz persönliche Motive wie Geltungssucht oder Gier sein. Wer hat noch nicht in einer Diskussion, z.B. auf einer Party, einfach mal „aus Spaß“ eine Gegenmeinung vertreten? Außerdem darf man nicht vergessen, dass z.B. ein Buch, das eine allgemein bekannte Tatsache (wie den menschgemachten Klimawandel) einfach nur wiederholt wesentlich weniger auffällt als ein Buch, das diese Tatsache bestreitet. Wie wäre es damit: Schwerkraft ist „fake“, eine Erfindung der Waagen- und Aufzugindustrie? Das klingt doch bestsellerverdächtig! Frau Maischberger hat sicher noch einen Sendeplatz frei…

Aber warum bietet „maischberger“ solchen Menschen ein Forum?

Fernsehsender (auch die öffentlich-rechtlichen) wollen hohe Einschaltquoten. Spannende Diskussionen sind gut für die Quote. Solange eine Diskussion nicht „entschieden“ ist, kann man sie immer wieder zum Thema einer Sendung machen. Also muss man auch mal so tun, als sei etwas noch nicht entschieden. Und natürlich sind Talkshow-Macher keine Wissenschaftler und glauben vielleicht tatsächlich, dass das Thema noch nicht entschieden sei. Außerdem erklären Medienmacher immer wieder, dass sie ausgewogen berichten und „alle Meinungen zu Wort kommen lassen“ müssen.

Wenn aber in der Wirklichkeit 17.240 Fachleuten höchstens eine Person gegenübersteht, die eine abweichende Meinung vertritt, entspricht es überhaupt nicht den wirklichen Verhältnissen, wenn in einer Sendung 1 seriöse Klimaforscherin mit 1 „Klima- Skeptikerin“ diskutiert. Dann wird das wahre Verhältnis (1:17.000) um das 17.000-fache verzerrt (1:1)!

Eine wirklich seriöse Sendung hätte also 17.241 Teilnehmerinnen, von denen 17.240 erklären würden:

  • Wir Menschen in der westlichen Welt haben in den letzten 100 Jahren durch die Verbrennung großer Mengen Kohle, Öl und Gas das Klima verändert.
  • Dies ist gefährlich für den ganzen Planeten und die Zukunft unserer Kinder.

Aber das finden Fernsehmacher offenbar langweilig.

Zum Schluss ein kleines Gedankenexperiment

Angenommen, ein Mensch, der Ihnen viel bedeutet, ist schwer krank. Die erste Fachärztin, die sie fragen sagt, dass nur eine bestimmte Operation das Leben dieses geliebten Menschen retten kann. Dann sprechen Sie mit einer Person, die zwar Medizin studiert hat, aber noch nie in dem betreffenden Fachgebiet gearbeitet hat. Und diese Person, die selbst noch nie einen Patienten behandelt hat, sagt, dass man nicht operieren solle.

Sie sind nun skeptisch und fragen weitere Fachärztinnen. Wieviele fragen Sie – zwei, zehn, …? Aber jede Spezialistin, die Sie fragen, sagt Ihnen das Gleiche, ob Sie nun zwei, zehn, hundert oder tausend Ärztinnen befragen: nämlich dass diese Operation die einzige Chance ist. Was würden Sie tun?

Fazit

Von 69.406 Expertinnen* sind 69.402 überzeugt, dass der aktuelle Klimawandel vom Menschen verursacht ist. Was werden Sie tun?

 

Quellen:

  • Bill McKibben (2017): Hurrikan „Irma“ und der Klimakrieg. Blätter für deutsche und internationale Politik. 10/2017, S. 45. Berlin
  • Naomi Oreskes, Erik M. Conway (2014): Die Machiavellis der Wissenschaft. Das Netzwerk des Leugnens. Wiley-VCH, Weinheim
  • James L. Powell (2016): Climate Scientists Virtually Unanimous. Bulletin of Science, Technology & Society Band 35, Heft 5 -6, S. 121 -124

* Für uns sind „Expertinnen“ Autorinnen mindestens eines Fachtextes zum Thema Klimawandel, der in einer der einschlägigen wissenschaftlichen Zeitschriften erschienen ist und der von anderen Wissenschaftlerinnen auf seine Qualität geprüft wurde (sog. „peer review“). Man ist noch keine Expertin auf dem Gebiet des Klimawandels nur weil man ein paar mehr Bücher dazu gelesen hat als der Durchschnitt.

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