Dr. Esther Kanschat: Haushalt 2020 ist weder zukunftsorientiert, noch nachhaltig, noch ökologisch!

Dr. Esther Kanschat, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen

Zur Einbringung des Haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2020 in der Ratssitzung am 26. November  2019 erklärt Dr. Esther Kanschat, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Velbert:

Haushaltsrede Bündnis 90 / Die Grünen zum Haushalt 2020

Geehrter Herr Bürgermeister, liebe Ratskollegen*innen, sehr geehrte Bürger*innen, werte Vertreter*innen der Presse.

Ich könnte, wie im letzten Jahr, einfach an einigen Beispielen unsere Kritik an dem vorliegenden Zahlenwerk vortragen. Da ich aber Wiederholungen hasse, bitte ich Sie einfach, meine Rede vom letzten Jahr zu lesen. Die ist leider in den meisten Punkten so aktuell wie auch schon 2018.

Stattdessen greife ich eine Aussage aus der Rede unseres Bürgermeisters auf und werde hieran die Schieflage der Velberter Politik und die generellen Fehlplanungen aufzeigen.

Der Bürgermeister erhebt in seiner Rede für den vorliegenden Entwurf des Haushaltsplans 2020 den Anspruch der nachhaltigen Haushaltsführung, weil dieser Entwurf die Kriterien der schwarzen Null erfüllt – als mehr kann man ein Plus von lediglich 300 T € nicht bezeichnen.

Zitat: „Diese nachhaltige Haushaltsführung ist unser Anspruch.“

Doch was nutzt ein fiskalisch nachhaltiger Haushaltsplan, wenn die Politik, die damit finanziert werden soll, das Prinzip der Nachhaltigkeit in vielen Bereichen mit Füßen tritt? Nichts, absolut gar nichts!

Aber Nachhaltigkeit ist genau das, was wir in unserem Alltag von jedem Menschen erwarten: Unsere Kinder müssen nach dem Spielen wieder aufräumen, im öffentlichen Raum wird immer gefordert, den Ort so zu hinterlassen, wie man ihn vorgefunden hat und die UN beschloss Ende 2015 17 Ziele, wovon Ziel 11 die Forderung nach „Nachhaltigen Städten und Gemeinden“ war. Diesen Zielen hat sich auch Deutschland verpflichtet.

Nachhaltigkeit ist eine Verantwortung für die Zukunft und damit unseren Kindern gegenüber. – Wer dem nicht zustimmt, der gesteht seinen Kindern und Enkeln weniger Lebensqualität zu, als er sich heute selbst gönnt. Nur die Nachhaltigkeit garantiert auf Dauer eine lebenswerte Welt. Wollen wir also Velbert für die Zukunft gut aufstellen? Müssen wir dann nicht generell in allen Bereichen nachhaltig handeln und planen, und nicht nur an wenigen Vorzeigeprojekten, wie sie jetzt in den Haushalt eingestellt wurden?

Also, nur wer nachhaltig handelt, handelt zukunftsorientiert. Aber genau das ist nicht IHR Anspruch an Velbert:

  • Denn dann würden Sie nicht andauernd neuen Flächenfraß beschließen, wie beim Große Feld, dem Verkehrsentwicklungsplan, dem Regional-planentwurf, usw.
  • Ersatzpflanzungen würden, wenn Sie die CO2 Neutralität auch nur im Ansatz anstreben würden, zumindest 1:1 ersetzt und nicht wie in den letzten Monaten häufig nur 1:10 – ein neuer kleiner Baum für zehn gefällte Bäume, von teilweise zwei Meter Umfang. Auch würden von Wissenschaftlern empfohlene, heimische Baumarten angepflanzt und keine Douglasien, Rot-Ahorn und ähnliches.
  • Unsere Wälder wären nicht nur Wirtschaftswälder, sondern naturnahe Mischwälder, die zu einem Teil aus Wildniswald bestehen sollten, um allgemein die Biodiversität im Wald zu erhöhen.
  • Der VEP – der als mittelfristige Planung bis 2030 aufgestellt werden soll – würde viel mehr auf Rad-, Fuß- und öffentlichen Personennahverkehr setzen, anstatt hauptsächlich neue Straßen für den MIV (Motorisierten Individualverkehr) auszubauen, oder gar ganz neu zu bauen.
  • Die Berücksichtigung des Artenschutzes würde ernst genommen und mit der nötigen Sorgfalt durchgeführt, und müsste von uns nicht so oft bemängelt und eingefordert werden.
  • Die vielen Planungen im Wohnungsmarktbereich müssten am Bedarf orientiert werden und nicht an Investorinteressen oder am Verkaufsgewinn der Stadt. Dann würde auch der soziale Wohnungsbau in Velbert zumindest auf dem Ist-Stand gehalten und nicht immer weiter zurückgefahren.
  • Die Betreuung von Senioren und Kranken durch die sozialen Dienste und das betreute Wohnen, sowie Wohnen in Mehrgenerationenhäusern, würde weiter in den Focus gerückt.
  • Wir würden mehr Geld für den Klimaschutz und den Freizeitwert für alle Bürger*innen ausgeben, anstelle einer zum jetzigen Zeitpunkt knapp achtstelligen Summe für ein Stadion für nur wenige.

Der letzte Punkt hat zwar nichts mit Nachhaltigkeit zu tun, ist aber dennoch von enormer Bedeutung und daher eine dramatische Fehlentwicklung, die nicht unerwähnt bleiben darf: Dem Digitalisierungsfortschritt in Velbert müsste eine erheblich höhere Priorität eingeräumt werden, sowohl in den Schulen als auch für unsere Wirtschaftsunternehmen, und ebenso für alle Bürgerinnen und Bürger. Da müssten wir eigentlich schon viel, viel weiter sein. Aber die interfraktionelle AG IT, die diese Entwicklung begleiten soll, hat in 2019 kein einziges Mal getagt. Die digitale Revolution macht einen weiten Bogen um Velbert und deren Kommunalpolitik.

All diese Fehlplanungen bewirken genau das Gegenteil zur Nachhaltigkeit. Sie spiegeln Ihren wirklichen Anspruch wider, nämlich Ihren Anspruch an den Stillstand, schlimmer noch, die Rückwärtsgewandtheit. Velberts Bürger haben aber eine bessere Politik verdient, eine Politik, die ihre Stadt im Grünen zu einem attraktiven Wohnort mit guter Infrastruktur und damit einer hohen Lebensqualität weiterentwickelt. Eine Politik, die neuen Wirtschaftszweigen den Weg bereitet und realistisch die klassische Schloss- und Beschlägeindustrie unterstützt und begleitet.

Wir Grüne werden deshalb den vorliegenden Haushaltsplan ablehnen:

Wir zweifeln nicht das Zahlenwerk der Kämmerei an, soweit man es beurteilen kann, da es wie immer intransparent aufbereitet ist. Jedoch lehnen wir die strategische Ausrichtung des Bürgermeisters und der ihn vornehmlich tragenden Parteien von CDU und SPD ab. Wir lehnen sie ab, weil sie weder zukunftsorientiert noch nachhaltig noch ökologisch ist.

Ich sage es mal mit den Worten von Friedrich Schiller:

„Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit!“

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

Es gilt das gesprochene Wort!

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