In einem Offenen Brief wendet sich die Windrather Talschule an Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) und NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) und gegen ihren skandalösen Erlass im Rahmen der „Fridays for Future“-Demonstrationen.
Dazu erklärt Dr. Esther Kanschat, Fraktionsvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen, Velbert:
Auf den Punkt gebracht!
Wir möchten uns bei der Langenberger „Windrather Talschule“ für das großartige Engagement bedanken, indem sie durch einen offenen Brief an den Ministerpräsidenten und die Schulministerin ganz deutlich Stellung bezogen haben.
Es ist erfreulich und wir sind begeistert darüber, dass ein derart offener Geist an Velberter Schulen anzutreffen ist. Lehrer, die nicht auf Obrigkeiten schauen, sondern das große Ganze im Blick haben, und damit das Wohl unserer Kinder und deren Zukunft höher bewerten als jedwede Reglementierungen. Dadurch wird klar aufgezeigt, dass es sich bei der öffentlichen Diskussion nur um ein Ablenken vom Wesentlichem handelt: Nicht die Erfüllung der Schulpflicht, sondern die Erhaltung unserer Ressourcen und unserer Lebensqualität sollten im Mittelpunkt stehen.
Vielen Dank dafür!
Dr. Esther Kanschat
Hier übrigens der ganze Wortlaut des Briefes:
Offener Brief an Ministerpräsident Armin Laschet und Schulministerin Yvonne Gebauer
Demonstrationen „Fridays for Future“
Erlass des Schulministeriums vom 13.2.2019
Velbert, den 21.3.2019
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrte Frau Schulministerin,
in einem Brief an alle Schulleiterinnen und Schulleiter des Landes fordert das Schulministerium dazu auf, im Zusammenhang mit den hauptsächlich von Schülerinnen und Schülern getragenen Demonstrationen „Fridays for Future“, die „Schulpflicht durchzusetzen“, und bezeichnet die Proteste als „grundsätzlich unzulässig“.
Wir, die Schulgemeinschaft der Windrather Talschule, möchten in diesem offenen, einigen Medien zugestellten Brief bekunden, dass wir der in dieser Weise erhobenen Forderung, die verbunden sein kann mit Strafen und Strafandrohungen für betroffene Schülerinnen und Schüler bzw. deren Eltern, nicht nachkommen wollen und können.
Wir sind uns der bestehenden Schulpflicht bewusst, vermissen aber eine rechtlich belastbare Abwägung dieser Verpflichtung mit den Zukunftsinteressen der nachwachsenden Generation. Die UN-Kinderrechtskonvention und ebenso die UN-Behindertenrechtskonvention halten dazu an, bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, im Konflikt unterschiedlicher Interessen das Wohl des Kindes vorrangig zu berücksichtigen. Der Präsident der Kultusministerkonferenz hat in zwei von ihm erstellten völkerrechtlichen Gutachten festgestellt, dass behördliche Maßnahmen ohne diese explizite, gerichtsfest begründete Abwägung rechtswidrig sind. Zur Abwägung stehen hier die Schulpflicht und die durch die Klimaerwärmung in Frage gestellte Zukunft der nächsten Generation und deren Recht, für einen Politikwechsel zu demonstrieren. Dies entspricht der staatlichen Verpflichtung, in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen, sodass die Schülerinnen und Schüler nur vertreten, was ihnen völkerrechtlich und nach dem Grundgesetz zusteht. Demgegenüber die Schulpflicht höher zu bewerten, leuchtet schon deshalb nicht ein, weil andere europäische Länder es zur Umsetzung des Rechts auf Bildung mit guten Gründen bei einer Bildungspflicht belassen. Angesichts der auch von der Wissenschaft als extrem dramatisch eingeschätzten Situation begründen die Jugendlichen die Durchführung während der Unterrichtszeit überzeugend damit, dass auch sonst bei Streiks möglichst effektive Formen gewählt werden. Auch damit müsste sich das Ministerium auseinandersetzen.
Unter diesen Umständen halten wir den Erlass in der vorliegenden Form nicht für bindend und können daher der Forderung nach einem restriktiven, statt einem verständnisvoll-kooperativen Kurs den Demonstranten gegenüber nicht nachkommen. Dies wäre auch mit unserer pädagogischen Ausrichtung nicht in Einklang zu bringen. Wir haben großes Vertrauen in unsere Schülerinnen und Schüler, mit dem politischen Grundrecht der Demonstrationsfreiheit verantwortungsvoll umzugehen, und bemühen uns schulorganisatorisch, den Unterrichtsausfall auszugleichen. Dabei leiten uns (wie hoffentlich alle Schulen des Landes) übergreifende Erziehungsziele, die sich mit den Begriffen Mündigkeit, Zivilcourage oder Verantwortungsgefühl für Umwelt und Mitmenschen umschreiben lassen. So stellen wir Ihnen die Frage: Sollen wir wirklich gegen junge Menschen vorgehen, in deren Verhalten sich genau diese Erziehungsziele wiederfinden?
Wir als Erwachsene sehen diese Forderung letztlich auch deshalb kritisch, weil uns bewusst ist, dass unsere Generation und deren Vorgängergenerationen den Demonstrationsgrund – schlicht die systematische Zerstörung der Erde – ebenso zu verantworten haben wie die Politik und zahlreiche weitere wirtschaftliche und politische Entscheidungsträger der letzten Jahre und Jahrzehnte.
Wir sichern Ihnen sowie unseren Schülerinnen, Schülern und Eltern zu, dass denjenigen, die nicht demonstrieren, der reguläre Unterricht erteilt wird. Gleichzeitig sichern wir zu, dass wir mit der Schulgemeinschaft weiter im Austausch über den Anlass bzw. die Thematik der Demonstrationen bleiben. Eines wird es mit uns aber nicht geben: Wir werden nicht gegen politisch aktive Schülerinnen und Schüler vorgehen, solange es keine rechtlich überzeugende Begründung dafür gibt. Solange dies nicht der Fall ist, sehen wir deren Proteste nicht als „grundsätzlich unzulässig“ an. Stattdessen halten auch wir eine radikale Umsteuerung in der Klimapolitik für wichtig, richtig – ja für längst überfällig!
Mit freundlichen Grüßen
Schulleitung und Kollegium der Windrather Talschule
Quelle: www.www.windrather-talschule.de/fridays-for-future/
Weitere Infos gibt es hier: www.fridaysforfuture.de/
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