Rede zur Verabschiedung des Haushaltes 2021: Velberts Zukunft

Martin Zöllner, Fraktionssprecher Bündnis 90/Die Grünen

Anlässlich der Einbringung und Beratung des Haushalts der Stadt Velbert für das Jahr 2021 erklärt Martin Zöllner, Fraktionssprecher von Bündnis 90/Die Grünen:

Sehr geehrter Herr Lukrafka,

sehr geehrte Mitglieder des Rates der Stadt Velbert,

unter dem Brennglas der COVID-Krise wird deutlich, dass besonders die Faktoren, die in der Regel als nicht beeinflussbar dargestellt werden, einen maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung einer Kommune haben. Denn neben den Schäden für die lokale Wirtschaft sind insbesondere Spannungen und Probleme in den Familien zu benennen. Dennoch ist es richtig, für den Gesundheitsschutz breiter Teile in der Bevölkerung einer Gesellschaft gegebenenfalls auch harte Sicherheitsmaßnahmen zuzumuten. Nichtsdestotrotz müssen die Folgen insgesamt betrachtet werden und es muss eine unserer wichtigsten Aufgaben sein, diesen soweit wie möglich entgegenzusteuern.

Zwar haben die familiären Auswirkungen der Corona-Krise nur indirekt Einfluss auf den Haushalt der Stadt Velbert, sie müssen aber als Richtschnur für aktuelle Entscheidungen dienen.

Darüber hinaus muss uns allen bewusst sein, dass es eine weitere große Krise gibt, die derzeit in den Hintergrund gedrängt wird. Die Klimakrise, allgemein als Klimawandel bezeichnet, wird noch zu viel deutlicheren und langfristigeren Veränderungen der Umwelt und auch der Lebensbedingungen in Velbert führen. Diese Veränderungen müssen in die heutigen Risikobetrachtungen und Planungen, besonders im Hinblick auf zukünftige Generationen, unbedingt einbezogen werden. Hier gilt es, nachdem das Thema in der Vergangenheit von einer konservativen politischen Mehrheit und der Stadtverwaltung gern ignoriert wurde, endlich die richtigen Weichen für eine lebenswerte Stadt zu stellen. Klimaschutz und Klimafolgenanpassung heißt letztlich Lebensqualität für unsere Zukunft sicherzustellen. Das bedeutet konkret, nicht nur Politik mit einem Visionshorizont auf die nächste Wahl zu machen und darüber hinaus alte Privilegien zu überdenken.

Veränderte Mehrheiten bieten uns heute die Möglichkeit Weichen für eine Zukunft zu stellen, die soziale Gerechtigkeit, Fortschritt durch Digitalisierung und (konsequente) ökologische Ausrichtung miteinander vereinen.

Selbstverständlich brauchen wir dafür Zeit. So ist das Arbeitsdokument “Velberter Haushalt” von der Verwaltung immer noch nicht so aufgestellt, dass es alle unsere Anforderungen an Transparenz und Vergleichbarkeit erfüllt. Wir sind aber nun in der Lage, substanzielle Richtungsentscheidungen einzubringen. Diese müssen, und die aktuellen Krisen machen das sehr deutlich, den Fokus hin zu einem ökologischen und sozialen digitalen Haushalt verschieben. Da viele der notwendigen und teilweise längst überfälligen ökologischen Projekte im hier vorliegenden Haushalt 2021 leider nicht enthalten sind, werden wir sie entsprechend an anderer Stelle einbringen und uns in diesem Haushaltsplan erst einmal darauf fokussieren, die rückwärtsgewandte Verkehrspolitik zu stoppen und durch ein zu planendes, gesamtheitliches Mobilitätskonzept zu ersetzen. Des Weiteren legen wir beim Blick auf diesen Haushalt einen großen Schwerpunkt auf das Thema der sozialen Verantwortung gegenüber den Velberter Bürgerinnen und Bürgern.

Soziale Verantwortung bedeutet für uns an dieser Stelle, insbesondere Familien mit Kindern finanziell zu entlasten, um Freiräume für deren Entwicklung zu schaffen. Das ist vor allem in einer Zeit wichtig, in der viele Kinder ganz besonders unter den aktuellen pandemiebedingten Einschränkungen leiden. Unser Ziel ist es daher, die KiTa-Gebühren in Velbert vollständig abzuschaffen. So erhalten Familien finanzielle Spielräume für die Förderung ihrer Kinder, z.B. durch Mitgliedschaften in Vereinen, zur Teilnahme an Musik- und Kunstunterricht oder zwecks anderweitiger Unterstützung bei Interessen und Hobbys.

Die Entlastung der Familien ist für uns eine wichtige und nachhaltige Investition in die Zukunft unserer Stadt, in die Zukunft eines kinderfreundlichen Velberts. Zumal in Zeiten von Fachkräftemangel diese Entscheidung sicherlich ein wesentlicher Faktor für junge Familien ist, sich in Velbert überhaupt niederzulassen. Natürlich müssen die gut 1,55 Mio. € Entlastung für Familien mit Kindern pro Jahr auch im Haushalt dargestellt werden. Wir haben daher einen belastbaren Veränderungsantrag zum Haushalt eingereicht, der unsere beantragten Maßnahmen finanziell ausgleicht.

Ein weiterer Aspekt für soziale Gerechtigkeit sind die Themen Transparenz und Teilhabe. Wir haben zu diesem Haushalt eine Reihe von konkreten Vorschlägen zur Forcierung der Digitalisierungsstrategie in der Stadt Velbert gemacht. Neben vereinfachten Zugängen über moderne Schnittstellen (zum Beispiel: Webportale für Amtsgänge, sogenanntes E-Government), steht die Teilhabe an politischen Prozessen mit einer möglichst niedrigen Zugangsschwelle im Fokus. Das bedeutet konkret, dass alle Interessierten zukünftig auch digital an Ratssitzungen teilnehmen könnten. Darüber hinaus wirken sich Maßnahmen im Bereich der Digitalisierung der Stadtverwaltung sicherlich auch positiv auf die Wirtschaft aus. In Anbetracht der aktuellen, coronabedingt schwierigen Situation des Gaststättengewerbes, wollen wir mit der Streichung der Gebühren für die Außengastronomie für etwas wirtschaftliche Entspannung und eine möglichst schnelle Belebung nach dem Lockdown sorgen.

Als weiterer Punkt sind die Anträge zur Optimierung der ÖPNV-Taktung zum Anschluss an die S-Bahn zu nennen. Die Stärkung des ÖPNV ist eine zentrale Stellschraube um einen zukunftsfähigen Modal-Split zu erreichen.

In vielen Themen und Bereichen gilt es die Versäumnisse und Fehlentscheidungen der konservativen Ratsmehrheit aus der Vergangenheit möglichst schnell zu beseitigen. Dies kann nur gelingen, wenn alte Muster neu überdacht werden. Ein „das haben wir schon immer so gemacht“ darf es absolut nicht mehr geben! Diese Erkenntnis reift hoffentlich auch beim politischen Arm der Verwaltung, so dass sich dieser konstruktiv und zukunftsorientiert einbringen kann und sich eben gerade nicht in ideologische Grabenkämpfe versteift. Zum Beispiel könnten Forderungen zum Haushalt (Steuersenkungen) konkret mit Einsparungen hinterlegt werden, statt der Gestaltungsmehrheit ein „Wünsch-Dir-Was“-Konzert zu unterstellen, die aber genau

das nicht beabsichtigt hat, sondern eine Gegenfinanzierung zum Haushalt mit einbringt. Nur dann werden wir es schaffen, die strukturellen Probleme der Stadt Velbert zu beseitigen, denn diese resultieren ja aus dem Wirken der CDU der letzten Jahrzehnte.

Um nun aber den Blick wieder auf die Zukunft zu richten: Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen wird daher diesem Haushalt unter den Bedingungen der Weichenstellung in eine ökologisch und sozial gerechte Zukunft zustimmen. Auch wenn der heute eingeschlagene Weg erst ein Anfang ist und noch viele weitere Schritte folgen müssen. Kurzfristig müssen wir den Risiken der COVID-Krise begegnen, gleichzeitig muss aber mittel- und langfristig der Klimawandelproblematik ebenso konsequent entgegengetreten werden. Das geht allerdings nur, wenn alle Entscheidungen sowohl in ihren sozialen, ökologischen als auch in ihren ökonomischen Auswirkungen bewertet werden.

Ich bin mir sicher, mit Blick auf viele der heute anwesenden Politikerinnen und Politiker aus den anderen Fraktionen, die sich ebenfalls der Verantwortung in Bezug auf nachfolgende Generationen bewusst sind, dass sie gemeinsam mit uns an dieser ökologisch und sozial gerechten Zukunft für alle arbeiten werden.

Anmerkung: Aufgrund der Corona-Situation wurde auf die traditionellen Haushaltsreden der Fraktionsvorsitzenden in der Ratssitzungen verzichtet!

Hier das Statement als Download!

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