Der Kohleausstieg kommt. Er ist wirtschaftlich und klimapolitisch unumgänglich. Für die Menschen im Rheinischen Braunkohlerevier bedeutet er aber erhebliche Veränderungen. Wir GRÜNE wollen diesen Prozess mit ihnen gemeinsam gestalten. Wir wollen das Innovationspotenzial des Rheinischen Reviers heben und mit der Bevölkerung gemeinsam für gute Arbeit mit Zukunft sorgen. In den letzten Jahren haben sich mehr und mehr Menschen mit der Frage auseinandergesetzt: Was kommt, wenn die Kohle geht? Die GRÜNE NRW-Landtagsfraktion hat daher am 29. September 2018 mit Akteuren in der Region diese Frage beleuchtet und Ideen für die Zeit nach der Kohle erarbeitet. Mit diesem Papier wollen wir die dort und intern erarbeiteten Ideen und Lösungen für das Rheinische Revier vorstellen.
Das Ruhrgebiet mahnt: Frühzeitig den Strukturwandel gestalten
Die Erfahrung aus dem Ruhrgebiet lehrt uns, dass es schadet, den unvermeidlichen Niedergang des Bergbaus zu verzögern. Die Verbreitung der Illusion eines nationalen Sockelbergbaus, wie ihn die SPD noch bis 2012 vertreten hat, hat dem Ruhrgebiet enorm geschadet. Dieser Fehler darf sich im Rheinischen Braunkohlerevier nicht wiederholen. Je früher der Ausstiegspfad festgelegt wird, desto besser für alle Beteiligten, die sich entsprechend darauf einstellen können.
Richtig war die Entscheidung beim Ausstieg aus dem Steinkohlenbergbau im Hinblick auf seine Akzeptanz den Belegschaften eine Beschäftigungsgarantie zu geben. Die Botschaft „Kein Bergmann soll ins Bergfreie fallen“ war entscheidend für die Bereitschaft, sich auf den Ausstiegsprozess einzulassen. Dies sollte auch im beim Braunkohlenbergbau gelten. Dazu ist es notwendig, dass die Bergleute eine Absicherung bekommen können.
Die Abbaumengen der Braunkohle reduzieren sich gewaltig
Ein vorgezogener Kohleausstieg führt dazu, dass erheblich geringere Mengen Braunkohle gefördert werden, als bisher angenommen. (IZES (Institut für ZukunftsEnergie- und Stoffstromsysteme gGmbH) im Auftrag der GRÜNEN Bundestagsfraktion: „Benötigte Kohlevorräte aus den Tagebauen Hambach und Garzweiler unter Berücksichtigung eines raschen Einstiegs in den Kohleausstieg“)
So würden beispielsweise beim Kohleausstieg im Jahr 2040 nur noch 700 Millionen Tonnen Braunkohle aus den Tagebauen Hambach und Garzweiler benötigt. Das entspricht 30 Prozent der dort noch genehmigten Braunkohlemenge in Höhe von 2,3 Milliarden Tonnen. Bei einem Kohleausstieg bis 2030 wären es sogar nur noch 450 Millionen Tonnen, also 20 Prozent der in Hambach und Garzweiler genehmigten Braunkohlemenge. Diese Zahlen verändern die Grundlagen des Abbaus in der Region komplett, stellen bisherige Umsiedlungen in Frage und damit Herausforderungen, aber auch erhebliche Chancen dar. Daher ist es dringend geboten, dass die Landesregierung bereits jetzt Vorbereitungen für eine neue Leitentscheidung trifft.
Vorhandene Stärken ausbauen, Schwächen ausgleichen, Beschäftigung sichern
Die Region ist heute stark durch den Braunkohletagebau, also die Energiewirtschaft, geprägt. Die knapp 9.000 Arbeitsplätze in den Tagebauen und Kraftwerken machen etwa ein Prozent aller Arbeitsplätze in der Region aus. („Zukünftige Handlungsfelder zur Förderung von Maßnahmen zur Strukturanpassung in Braunkohleregionen“, prognos, 2018.) Das Rheinische Revier verfügt aber auch heute schon über ausgeprägte Stärken in anderen Bereichen. Es hat die höchste Dichte an Hochschulen und außerhochschulischen Forschungseinrichtungen in Europa. Diese Innovationskraft muss bei der Gestaltung der Zukunft der Region eine zentrale Rolle spielen. Aber auch die industrielle Wertschöpfung ist in der Region überdurchschnittlich stark ausgeprägt. Historisch gewachsen ist sie aufgrund der Nähe zur Energieerzeugung aus der Braunkohle. Für die Zeit nach der Kohle muss die Industrie jetzt vorsorgen und sich insbesondere für die Herausforderungen des digitalen Zeitalters rüsten.
Es wäre falsch, das Schicksal der Region mit dem der Braunkohle gleichzusetzen. Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass es in der Region keinen Handlungsbedarf gibt. Viele kleine und mittlere Unternehmen haben nicht genug Alternativen zur Braunkohlewirtschaft, sie ist daher zum Hemmschuh für die künftige wirtschaftliche Entwicklung geworden. In den vergangenen Jahren lag die wirtschaftliche Entwicklung der Region zwar in etwa gleichauf mit der von ganz Deutschland und damit über der von NRW. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf und das verfügbare Einkommen liegen aber weiterhin unter dem Durchschnitt in Deutschland. Besonders markant ist, dass die Gewerbesteuereinnahmen im Rheinischen Revier pro Kopf weniger als halb so hoch sind, wie im Durchschnitt von NRW und Deutschland. („Erarbeitung aktueller vergleichender Strukturdaten für die deutschen Braunkohleregionen“, RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, 2018) Die Arbeitslosenzahlen liegen in einigen Kreisen des Rheinischen Reviers über dem Durchschnitt in NRW von aktuell 6,6 Prozent (Stadt Mönchengladbach, Städteregion Aachen, Kreis Düren).
Probleme und Risiken analysieren, Chancen suchen, zielgenau fördern
Je weiter der Betrachtungsraum räumlich gefasst wird, desto unterschiedlicher stellt sich die infrastrukturelle und ökonomische Lage der Region dar. Während die Kernbereiche weiterhin stark durch Tagebaue und Kraftwerke geprägt sind, haben sich große Teile der Region zwischen dem Kreis Euskirchen im Süden und dem Kreis Viersen im Norden bereits in den vergangenen Jahrzehnten anders orientiert. Die vielfältige und hochqualitative Wissenschaftslandschaft entlang des Rheins, in und um Aachen sowie an weiteren Standorten, stellt beispielsweise mit dem Forschungszentrum Jülich und seinen 5.800 Mitarbeitenden und vielen innovativen Ideen eine Keimzelle für Unternehmen und Startups vor allem in den Bereichen Nachhaltigkeit und Energie dar. Darüber hinaus bietet die Region großindustrielle Zentren der Chemie, der Aluminium- und Papierindustrie an den Rändern des Reviers sowie etliche lokale Wertschöpfungskerne in der Land- und Forstwirtschaft, der Baustoffindustrie, der Kreislaufwirtschaft bis hin zum Tourismus am nördlichen Niederrhein.
Dieser Heterogenität muss der Transformationsprozess der kommenden Jahrzehnte Rechnung tragen. Weder eine Förderung mit der Gießkanne, noch die reine Fokussierung auf Rückbau und Ersatz der Kohlewirtschaft werden den verschiedenen Herausforderungen der Teilregionen gerecht.
Dazu müssen zunächst transparente Kriterien und Anforderungen definiert werden, nach denen eine Strukturförderung erfolgt. Diese Kriterien müssen die unterschiedlichen Ausgangssituationen von heutigen Tagebaurand-Kommunen oder Kraftwerksstandorten in den Kernregionen, den bereits fortgeschritten rekultivierten Alt-Tagebau-Regionen im Süden und den eher peripheren Kommunen und Kreisen der Braunkohleregion gewichten und hieraus eine zielgerichtete und steuerbare Förderkaskade ableiten.
RWE trägt dauerhaft Verantwortung für das Rheinische Revier
Die Braunkohleverstromung früher als ursprünglich geplant zu beenden ist eine politische Entscheidung aufgrund klimapolitischer Notwendigkeiten. Bundes- und Landesregierung stehen daher in der Pflicht, die Sozialverträglichkeit des Kohleausstiegs sicherzustellen. Dies darf aber nicht dazu führen, dass RWE aus der Verantwortung für seine Mitarbeitenden und die Region entlassen wird. Ein Wegfall von Arbeitsplätzen bei RWE ist eine Herausforderung für die gesamte Region, die nicht verharmlost werden darf und kurzfristig und mit Nachdruck angegangen werden muss. Klar ist aber auch, dass die Verantwortung, die RWE für seine Mitarbeitenden sowie für die ganze Region trägt, nicht mit dem Auslaufen des Kohlebergbaus und der Kohleverstromung endet. In diesem Zusammenhang fordern wir, dass die Mittel für die Ewigkeitslasten in einem öffentlichen Fonds gesichert werden.
RWE ist gefordert, das Rheinische Revier in die im Zuge der Energiewende längst begonnene Fortentwicklung seiner Konzernstrategie einzubeziehen und Arbeitsplätze in der Region zu erhalten. Die Erschließung neuer Märkte und Wertschöpfungsketten und Investitionen in wachsende Geschäftsfelder, zum Beispiel im Bereich der Erneuerbaren Energien, müssen mit besonderem Blick auf die Verantwortung für die eigenen Beschäftigten und den Strukturwandel im Rheinischen Revier erfolgen. Dazu sollen Investitionen des Konzerns prioritär ins Revierfließen, um die negativen Beschäftigungs- und Wertschöpfungseffekte des Braunkohleausstiegs zu minimieren. Die von RWE im Kraftwerkserneuerungs-programm von 1994 versprochenen und immer noch nicht im Revier investierten drei Milliarden Euro sind umzuwidmen und in eine zukunftsfähige Energieversorgung im Revier zu investieren.
Gleichzeitig muss RWE seinen Mitarbeitenden durch Weiterbildung und Qualifizierung neue Beschäftigungsperspektiven innerhalb und außerhalb des Unternehmens eröffnen.
Unabhängig von der Verantwortung von RWE für die Region bedeutet das Ende der Braunkohleförderung auch eine Chance für die Region, sich aus der Abhängigkeit eines Großkonzerns zu lösen und seine Wirtschaftsstruktur zu diversifizieren.
Weitere Infos und Konzepte gibt es hier!
Quelle: www.gruene-fraktion-nrw.de
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